Mittwoch, 29. Oktober 2008

Autorengeschwätz

Was ich langsam echt nicht mehr hören kann (und einigen Kulturjournalisten geht es da ganz genau so) ist der Satz von Autoren:
"Meine Figuren bekommen im Lauf des Schreibens ein Eigenleben."
oder "... manchmal machen die, was sie wollen, sie tun dann was ganz anderes, als das, was ich ursprünglich geplant hatte."
Kommt euch dieser Stuss bekannt vor?
Ehrlich, was soll das? Mystifizierung eines Berufs, der neben ein bisschen Talent zu 90% aus Handwerk besteht?
Wenn Figuren ein "Eigenleben" entwickeln so hat das folgende Gründe: Die Figur war schlecht oder nachlässig geplant. Sie ist den Anforderungen der Handlung nicht gewachsen oder der Autor hat im Lauf des Schreibens die Schwerpunkte anders gesetzt als ursprünglich geplant. Der Autor!
Oder der Plot wurde während des Schreibens geändert, warum auch immer, (vom Autor, wohlgemerkt) und die Figur bzw. die ihr zugedachten Eigenschaften passen jetzt nicht mehr zur Handlung.
Der Autor "verliebt" sich in eine der Figuren und gesteht ihr deshalb mehr Handlung zu als geplant.
Oder der Autor plant gar nicht und lässt sich so dahintreiben. Aber selbst dann sind es der Autor und dessen Gedanken, Stimmungen, und nicht eine fiktive Figur, die dieses kreative Chaos produzieren.
Ich für meinen Teil nehme für mich in Anspruch, dass ich jederzeit Herrin über meine Figuren und deren Tun bin. Wär ja noch schöner! Das heißt nicht, dass ich nicht auch mal an ihnen rumändere. Ich - ihr Schöpfer. Das heißt auch nicht, dass Figuren nicht "lebendig" wirken sollen, in dem Sinne, dass der Leser glaubt, so einen Menschen zu kennen, einen solchen gerne kennen würde oder sich im besten Falle mit der Figur zu weiten Teilen identifizieren kann. Das schon. Aber der Autor allein bestimmt, wo's lang geht - ob dieser das nun wahrhaben will oder nicht.
Fiktive Figuren haben keinen eigenen Willen!
Etwas anderes zu behaupten ist meiner Meinung nach ein leider weit verbreitetes Autorenklischee, eine affige Attitüde, bei der ich jedes Mal würgen muss.
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recono - 29. Okt, 14:51

Wie jetzt? Charaktere leben nicht? Dann hast du noch nicht Jasper Ffjorde gelesen ;-)

SusanneM - 2. Nov, 14:39

Nein,

habe ich tatsächlich nicht.
SabineD - 29. Okt, 15:46

Ich glaube gar nicht, dass Autoren sich in ihre Figuren so oft verlieben, vielmehr SIND sie selbst ihre Figuren (jedenfalls meine Erfahrung mit einigen meiner Spezies). Dann machen die natürlich, was sie wollen, völlig klar. Ganz wie Mama oder Papa ;)

SusanneM - 2. Nov, 14:38

Naja, ich

habe mich mal in die 83jährige jüdsche Mutter von Kommissar Romero verliebt ... das gibt zu denken. Aber vielleicht habe ich mich nur danach gesehnt, so abgeklärt und schlagfertig wie diese zu sein.
Du meinst also, Autoren stecken permanent in einer Identitätskrise? Interessanter Ansatz!
SabineD - 8. Nov, 22:46

Nee, eigentlich meine ich, dass Autoren am Beginn ihres Schaffens das Ich mit dem Prot-Ego oft vermischen. Ich habs halt häufig mit Erst-Werken zu tun. Hm.
Meiner eigenen Erfahrung nach braucht es viele Jahre und Manuskripte, bis man begreift, dass die Ge-Schichte keine Ich-Schichte ist, sondern man völlig lässig von außen beobachten und erzählen kann. Dieser Krampf, erzählen zu wollen und dabei oft in den eigenen Säcken zu suchen, verliert sich mit der Zeit und ist eher ein Symtom von Autoren, die gerade erst ihr erstes Ding schreiben.
Frau Berg (also die Sibylle) hat mir mal mal intelligente Zahlen genannt: 10 Jahre und 10 Manuskripte braucht es an Übung, - ungefähr - bis man fähig sei, auch andere zu unterhalten ;)
Finde ich sehr wahr und klug.

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